Ich weiss noch genau, in welcher Sekunde die Schule für mich gestorben ist. Es war der Augenblick, als ich in der dritten Klasse mein Diktat in Deutsch zurückbekam. Eine Woche zuvor hatte es die Lehrerin gross angekündigt. Und ich hatte gebüffelt, was das Zeug hält. Die zehn Minuten, die der Test dauerte, gab ich mein Bestes – und konnte kaum das Ergebnis abwarten. Am nächsten Tag bekomme ich mein Blatt zurück. In roter Schrift steht darauf:

„5 Fehler“

Das war’s. Kein Wort des Lobes. Nur das, was ich falsch gemacht hatte, zählte.
Ich war fassungslos. Fünf Fehler bei hundert Worten? Das sind doch 95 Richtige! Zerknirscht, enttäuscht und völlig demotiviert ging ich an diesem Tag nach Hause – und machte nie die wieder den Fehler, mich in Deutsch anzustrengen.
Wenn jemand die Motivation eines Menschen zerstören möchte, dann ist die Fokussierung auf das Negative der schnellste, effizienteste und effektivste Weg dahin. Diese Kunst beherrschen aber nicht nur die Lehrer, die vor 40 Jahren unterrichtet haben.

Diese Haltung ist auch heute weit verbreitet. In der Politik, in öffentlichen Debatten, in der Beziehung zu Kunden oder Mitarbeitern: Statt das Positive anzuerkennen, schlagen sich viele lieber auf die Seite der Kritiker.
Sie suchen die Stellen, an denen es hakt, und legen den Finger in die Wunde. Mit kritisch-analytischem Geist zerren sie die Schwächen jeder Entscheidung, jedes Systems, jedes Handelns ans Licht. In bester Absicht zeigen sie auf Schwächen, Fehler, Versäumnisse. Und merken dabei gar nicht, was sie alles kaputtmachen!
Die Motivation der Menschen. Und deren Selbstvertrauen.

Was passiert in den USA, wenn ein Unternehmer pleite geht? Man klopft ihm auf die Schulter und sagt: „Toll, dass du es versucht hast!“ Und der nächste Investor streckt ihm die Hand aus. Jetzt, wo du weisst, was die Fallstricke sind, kann es beim nächsten Mal nur besser werden. In Europa läuft jemand, der Insolvenz anmeldet, für den Rest des Lebens mit dem Loser-Schild herum.

Wussten Sie eigentlich, dass das Internet in der Schweiz erfunden wurde? Ohne Witz! Aber marktreif haben es natürlich die Amerikaner gemacht. Wer nur das sieht, was schlecht ist, im Weg steht oder nicht geht – der kommt zum Ergebnis, dass etwas schlecht ist, im Weg steht oder nicht geht. Wer aber überlegt, was denn schon alles gut ist und funktioniert – der macht etwas Gutes, das dann auch funktioniert.

Zu welcher Gruppe Sie gehören möchten, das entscheiden Sie. Ich habe mich entschieden. Aus meiner Sicht habe ich 95 Wörter richtig geschrieben!

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